von Beat Hanselmann
Franz Max Herzogs Begabung für die Malerei musste sich schon früh gezeigt haben, sonst hätte ihn sein Vater nicht nach Stuttgart geschickt. Allerdings wollte Herzog kein Gebrauchsgrafiker werden. Wo und ob er sich nach der Schule weiterbildete, ist nicht bekannt. Sicher hatte der Umgang mit seinen malenden Freunden – Louis Moilliet, Marguerite Ammann, Lucy Sandreuter, Peter Mieg und anderen Künstlern – einen Einfluss auf ihn; in einem Brief erwähnt Herzog sogar, dass er gelegentlich Malschüler bei Peter Mieg gewesen sei.
Die früheste belegte Ausstellung war 1939 in der Kunsthalle Basel (24 Bilder, Gruppenausstellung). Weitere Ausstellungen: 1942 Kunsthalle Basel (2 Bilder in der Weihnachtsausstellung der Basler Künstler); 1953, 1956 Galerie Bettie Thommen Basel; 1956/57 Kunsthalle Basel; 1959 Galerie Socrate Biel; 1960/61 Kunsthaus Aarau; 1961, 1965 Kunstsalon Wolfsberg Zürich; 1962, 1964, 1966, 1967, 1974 Galerie Rathausgasse Lenzburg; 1963 Gedächtnisausstellung Kunstmuseum Luzern.
Herzog malte nicht planmässig, man konnte ihn auch nicht dazu aufmuntern. Er malte, wenn ihn die Lust dazu ankam, wenn ihn etwas bewegte. Es gab einige Phasen, in denen er die Bilder aus sich heraus malen musste, um innerlich zur Ruhe zu kommen. So malte er z.B. vor der grossen Ausstellung in Zürich 1961 während drei Wochen jeden Tag ein Bild. Dass er danach total erschöpft war, ist nur zu verständlich. Seine Einstellung zum Malen hat sich im Laufe der Zeit sicher verändert. So schrieb er 1942 an den Direktor des Kunsthauses Zürich: «Gestatten Sie mir Ihnen noch mitzuteilen, dass ich mich vorwiegend als Schriftsteller betätige». 1943 schrieb er an Hermann Hesse: «Oft bin ich wie erlöst, wenn ich mich in die Farbe flüchten darf» und 1960 an Peter Mieg: «Malen tu ich bloss des Vergessens willen, weil ich sonst gar nicht wüsste, was ich auf diesem Planeten zu tun habe.»
Herzog malte äusserst selten nach einem Modell. «Wohl hatte sich Franz Max Herzog seit den frühen Jahren malerischer Äusserungen nie an das Vorbild in der Natur gehalten: er wollte völlig frei sein, musste frei bleiben. Ich darf vielleicht an dieser Stelle eine Reminiszenz einflechten. Wir hatten zusammen eines schönen, heitern Morgens am Genfersee zu malen begonnen, angeregt von dem hellen Licht über dem See. Während ich den hellblauen See malte, begann er diesem Naturspiel bald den Rücken zu kehren. Was dabei herauskam, war eine düstere Nachtlandschaft, ein Garten mit Bäumen und Kübelpflanzen. So war es immer. Er konnte sich nicht einengen lassen, musste im Menschlichen wie im Künstlerischen seine völlige Freiheit haben.» Freiheit auch in den Materialien, die er verwendete: «Ich habe ein Bild aus der frühen Basler Zeit, das mit Wasserfarbe und Zahnpasta gemalt ist.»
«Wenn bei einem Maler von Entwicklung die Rede sein kann, dann ist es bei Franz Max Herzog der Fall. Seine frühen, vom Graphischen herkommenden Arbeiten zeugten bereits von der Sensibilität im zeichnerischen Zug. Landschaftliche Kompositionen, nach der Rückkehr aus Stuttgart entstanden, liessen schon den Sinn für die Farbe ahnen; es waren ungemein stimmungsvolle Bilder, in denen ein Dichter sprach: die beiden Künste durchdrangen sich damals durchaus. Träumerische Gärten mit schattenden Bäumen, mit stillen Gestalten darin, in der Sphäre irgendwie an die Gegenden des ‹Grand Maulnes› erinnernd, wurden gemalt, weiter Stilleben, in denen die ganze geschmackliche Sicherheit zum Ausdruck kam. Immer wieder wurden die schöpferischen Perioden durch Wechsel der Wohnstätten unterbrochen, und immer blühten andernorts die Bilder in neuer Frische auf. [...] die dort entstandenen Landschaften waren überall und nirgends, waren Landschaften der Phantasie und des Traums, und wie der erfinderische Geist im Formalen lebendig war, so war er es in der Materie. Keine Technik blieb für Franz Max Herzog unentdeckt: Mit Pelikanol, Pasten aller Art, mit Fischschuppen, Rappenstücken, Papierservietten, Silberpapier, bunten Seidenpapieren, mit Spielkarten und Zeitungsstücken verfuhr er bildmässig, das heisst wusste sie seinem hochentwickelten Farbensinn unterzuordnen. Von bedingt Gegenständlichem weg führte der Weg immer deutlicher zur Abstraktion, und die letzten Werke, auch wenn sie vom Gegenstand [...] auszugehen schienen, bedeuten Kompositionen von grossartiger Konsequenz und dichter sonorer Farbigkeit, wie sie nur Wenigen beschieden ist.»
Im «Künstlerlexikon der Schweiz» führte Peter Mieg dies noch gelehrter aus: «Es handelt sich in jener Zeit [Mitte der 40er Jahre] um Bilder, die, technisch eigenwillig und Mischtechniken mit Wasserfarben unter Zusatz von Öl oder Wachs aufweisend, in weicher Tonigkeit differenzierte, vielfältig gebrochene und raffiniert zueinander in Beziehung gebrachte Farben zeigen. [...] Die malerische Tonigkeit tritt hinter einer strafferen Komposition, einer Durchsetzung mit zeichnerischen Linien zurück; mit der Verwandlung der Formen aus der schaubaren Umwelt, mit einer mehr oder minder deutlichen Abstraktion geht eine Konzentration auf wenige Farben einher. Nicht selten sind die Bilder, etwa seit Mitte der fünfziger Jahre, monochrom oder gründen sich auf wenige Klänge, [...] was ihnen gegenüber den früheren, wohl poetischeren, doch strukturhaft weniger geschlossenen Arbeiten eine dichtere, sattere, einheitlichere Wirkung sichert.»
Über die Bedeutung von Franz Max Herzogs Schaffen und über die Qualität seiner Bilder geben wohl am besten die Zeugnisse professioneller Rezensenten Auskunft: «Manchmal bleibt der Eindruck der Improvisation, des Umgangs mit den malerischen Mitteln allein nach Lust und Laune. Wenn die Hand müde wird, dann hört sie auf. Aber solche Unbekümmertheit stört eigentlich nicht, weil immer eine ungewöhnliche Bildphantasie den Pinsel führt. Die Themen der Bilder, Landschaften, Intérieurs, Stilleben, auch einmal ein Porträt, sind als Bildlegende weitgehend uninteressant, weil die Bildaussage sich vom äusseren Anlass löst und ganz in der Farbstimmung und der zeichnerischen Musterung liegt. Herzog hat viel von der zusammenfassenden Flächigkeit des späteren, zusammenfassenden Kubismus gelernt. Diese Flächen, subtile, geniesserisch, sozusagen mit der Zunge gemalt, geben das Bildgerüst. Darauf ergeht sich dann der Pinsel frei zeichnend. Das Resultat ist immer wieder überraschend reich, schmückend, mehr als dekorativ. Die Bilder sind Zeugnisse für eine persönliche, ‹lyrisch› naturnahe, stimmungsvolle Ausdruckswelt.»
«Was in Max Herzogs Malerei einer einheitlichen Wirkung früher Abbruch zu tun schien, jene überquellend reiche, fast ungebärdige Phantasie, das ist nun geformt und bezwungen, und die so dicht und satt durchgemalten, nicht selten aus einem einzigen Farbakkord entwickelten Arbeiten wirken durch die gesammelte Kraft der Abstraktion, zu der die Augenerlebnisse aus der schaubaren Umwelt verwandelt sind.»
«Eine anscheinend unerschöpfliche Vielfalt vereinigt sich in der Einheit von Herzogs Stil. Diesen Stil zu beschreiben fällt schwer; denn das wirksamste Mittel der Beschreibung, der Vergleich, fällt hier dahin. Noch nie hatten wir von einem unserer zeitgenössischen Künstlern ein Werk von ähnlicher vollkommener Einzigartigkeit und Unvergleichbarkeit vor Augen.»
Diesen drei Ausschnitten aus zeitgenössischen Ausstellungsbesprechungen fehlt natürlich die klärende zeitliche Distanz. Aber sie zeigen doch deutlich, dass sich eine Auseinandersetzung mit dem Maler Franz Max Herzog lohnen dürfte, und sei es auch nur, um Herzogs Stellenwert im Schweizerischen Kunstschaffen des 20. Jahrhunderts neu zu bestimmen.
Beat Hanselmann