Er war mit einem pompösen Bauch ausgestattet. Bekleidet war dieser Bauch seinerseits ausgestattet mit den Wundern der Goldschmiedekunst. Mühselig bestieg Siegfried, denn so hiess er, das Eisenbahnabteil für Raucher und verteilte, sich niederlassend, seinen Bauch so, dass er bequem auf die Schenkel zu liegen kam. Eine Prozedur, die die Gegenübersitzenden jeweils betroffen zurücklehnen liess. Wohin fuhr Siegfried? Er fuhr zu seiner Geliebten. Und seine Geliebte hiess Brunhilde. Sie war das, wozu der Name sie verpflichtete: sie war gross und stark. Trotzdem wurde sie von Siegfried "mein Täubchen" gerufen. So fuhr er also zu seinem Täubchen, das in der Stadt lebte und in einem Magazin Spitzen verkaufte. Er indessen wohnte auf dem Lande; nur hier hatte dieser Bauch gedeihen können. Siegfried war nämlich in stattlicher Stellung, bekleidete ein Amt, hatte sich aber heute, eines Dienstags im Oktober, Urlaub zu bestimmtem Zwecke erbeten und ihn erhalten. Die Eisenbahn ratterte der Stadt entgegen, und der Bauch schwabbte. Mühselig entkletterte Siegfried dem Zug; die Treppe musste er ertasten, denn er sah die Stufen nicht. Beim Bahnhofpostamt angekommen, zwängte er sich in eine Telephonkabine, die wie alle anderen nach kaltem Rauch duftete. Siegfried rief das Spitzenmagazin an und bat, mit Fräulein Kleinmeier sprechen zu dürfen. Fräulein Kleinmeier sei nicht da, sie habe heute Nachmittag Urlaub. Was war das? Noch gestern hatte ihm Brunhilde am Telephon ewige Treue geschworen und versprochen, im Magazin zu warten, bis er sie abhole. Was war das? Siegfried hielt noch den Hörer in der Hand, und das Kabel zitterte. Schliesslich musste er wieder einhängen und die Kabine verlassen.
Wo nur konnte er Brunhilden suchen? Hier beginnt Siegfrieds Odyssee. Unglücklich wankte er durch die Strassen, allzeitig bestaunt seines enormen Umfanges wegen. Im Magazin fragte er ein rosiges Fräulein am Ladentisch, ob seine Geliebte noch nicht zurückgekommen sei. Das Ladenfräulein verbarg ein Lächeln hinter einem blöden Augenaufschlag und versicherte, die Kleinmeier werde an jenem Tage nicht mehr erscheinen, hingegen wohne sie in der Pension Fortuna, und vielleicht erkundige sich der Herr dort einmal nach deren Verbleiben? Siegfrieds Mut hob sich ein wenig, und die Pension Fortuna war nun das nächste Ziel. Vielleicht erwartete sie ihn auf ihrem Zimmer? Nein! Wieder sollte er enttäuscht werden. Ist vielleicht Fräulein Brunhilde Kleinmeier hier? So fragte er die lebensvolle Besitzerin der Pension Fortuna. Frau Fortuna antwortete, ein Fräulein Rosa Kleinmeier wohne allerdings hier, sei aber für den Augenblick nicht da. Sie betrügt mich: das war der erste Gedanke, als Siegfried erfuhr, seine Geliebte heisse nicht Brunhilde, sondern nur Rosa. Hiess er etwa auch nur Hans? Nein, er war auf den stolzen Namen Siegfried getauft, und er machte dem Namen Ehre! Denn kühn erkundigte er sich, in welchem Lokal Fräulein Kleinmeier an freien Nachmittagen verkehre. Er wolle sie überraschen. Bieder und ohne Vorbehalt erklärte die Besitzerin der Pension Fortuna, Fräulein Kleinmeier trinke bisweilen ihre Tasse Schokolade in der Confiserie Klabautermann.
Ha! dachte Siegfried, und unbändiger Tatendurst spielte um seine dicken Lippen. Ohne Zögern bestieg er eine Autodroschke und verlangte, nach der Confiserie Klabautermann geführt zu werden. Dort empfing man ihn zuvorkommend und erwiderte auf sein Fragen nach einem Fräulein Kleinmeier mild und freundlich: ja sie sitze mit ihrem Wotan im ersten Stock in der Ecke und trinke Schokolade. Abermals dachte Siegfried Ha!, und das Gelüste, die Falsche zu überführen, drückte sich in der heftigen Bewegung aus, mit der er seinen Bauch herumschwang und sich nach der Treppe zum ersten Stock wandte. Die goldenen Behänge schepperten: der ganze Zierat auf seinem Bauch geriet in Aufruhr. Dort die Ecke, und allein in ihr Brunhilde, sich Zucker in eine Tasse Schokolade werfend. Den kleinen Finger hatte sie graziös gehoben, und ein roter Stein funkelte in einem Ring auf. Das war für Siegfried die rechte Stimmung zum Kampfe. Du bist ertappt, Brunhilde, Weib! schleuderte er der Aufstrahlenden entgegen. Du heissest nur Rosa und betrügst mich mit Wotan.
Da schrie in der Höhe ein Tier laut und vergnügt, und Wotan, ein bunter Papagei, flatterte aufgeregt durch den Salon der Confiserie Klabautermann und setzte sich auf Siegfrieds kahles Haupt. Wotan hatte den Anruf seines Namens als Aufforderung aufgenommen und war ihr gerne gefolgt. Die dicke Brunhilde indessen war nicht aus der Fassung zu bringen und lächelte selig den völlig entsetzten Siegfried an. Ja, Geliebter, ich wollte sehen, ob du mich fändest. Du hast mich gefunden, und das beweist mir deine Liebe. Komm her zu mir Wotan! Und Wotan verliess kreischend vor Wonne Siegfrieds Haupt und heftete sich am breiten Busen seiner Gebieterin fest. Und warum sagtest du, du heissest Brunhilde? - Ich spürte deine tiefe Liebe im ersten Moment und wusste: heiss ich erst Brunhilde, dann passe ich noch besser zu dir. Erschöpft vor Aufregung und Glück sank Siegfried an ihre Brust; Wotan entfloh erbittert auf die Lampe, und Brunhilde spielte verträumt mit den Goldsachen auf seinem Bauch. Erlöschend flüsterte er durch die fette Nase: mein Täubchen.